Widerstand bedeutet, in Hebron zu bleiben

UN-Solidaritätstag mit dem palästinensischen Volk: Internationale Präsenz in den besetzten Gebieten
Interview by Wladek Flakin

Ursprünglich innen veröffentlicht Junge Welt

Die Israelin Neta Golan ist Mitbegründerin der International Solidarity Movement (ISM) und lebt in Ramallah im Westjordanland.

F: Am Dienstag war der von den Vereinten Nationen proklamierte Tag der Solidarität mit dem palästinensischen Volk. Wie unterstützt Ihre Bewegung die Palästinenser?

Neta: Unsere internationale Solidaritätsbewegung wurde zu Beginn der zweiten Intifada im September 2000 gegründet. Wir unterstützen den gewaltfreien Widerstand in Palästina. Es ist eine gemeinsame Bewegung von Palästinensern und Aktivisten aus dem Ausland, den sogenannten Internationalen. ISM steht aber unter palästinensischer Führung.

Bei uns laufen mehrere Projekte parallel. Ein zentraler Bereich ist die Unterstützung des Widerstandes gegen die Annexionsbarriere, die Mauern und Zäune, die rund um die Westbank gebaut werden. Wir konzentrieren uns auf das Dorf Bilin bei Ramallah. Dort demonstrieren wir seit zehn Monaten Freitag für Freitag.

In Nablus unterstützen wir palästinensische Bauern. Zusammen mit israelischen Gruppen wie “Rabbiner für Menschenrechte” oder “Anarchisten gegen die Mauer” gehen wir auf die Felder und pflücken Oliven in Gebieten, die von den Siedlern bedroht werden.

F: ISM ist aber auch in Hebron in der südlichen Westbank präsent.

Neta: Ja. Wir haben eine Basis in Tel Rumeida, einem Viertel in der Altstadt von Hebron, wo Palästinenser neben Siedlern unter Apartheidbedingungen leben. So können die Palästinenser zentrale Straßen nicht nutzen, weil diese für die Siedler reserviert sind. Palästinensische Kinder werden auf dem Weg zur Schule von jungen Siedlern mit Steinen beworfen. ISM-Aktivisten begleiten diese Kinder jeden Tag zur Schule. Für die Palästinenser bedeutet dort Widerstand, in der Gegend zu bleiben.

F: Wie kommen die ISM und andere Gruppen gegen die Besatzung in der israelischen Gesellschaft an?

Neta: Es gibt eine andauernde Diffamierungskampagne gegen uns – vom Außenamt, das wir nicht wegen Beleidigung verklagen dürfen, sowie von rechtsextremen Siedlergruppen. Sie verbreiten die unglaublichsten Lügen. Über mich wurden wahnsinnige Sachen geschrieben, zum Beispiel, daß ich mein ganzes Leben in einer Psychoklinik verbracht hätte.

F: ISM wird seitens Israels vorgeworfen, terroristische Gruppen oder Aktionen zu unterstützen.

Neta: Alles, was hier passiert, wird von der israelischen Armee als Terrorismus bezeichnet. Als der britische Fotograf Tom Hurndall von Soldaten in Gaza erschossen wurde, hieß es in der ersten Erklärung der Armee, er hätte eine Tarnuniform und eine Waffe getragen. Später wurde behauptet, er hätte neben einem palästinensischen Kämpfer gestanden. Die Wahrheit ist, eine Gruppe israelischer Soldaten hat auf drei Kinder an einer Straßensperre geschossen, und Tom wollte sie aus der Schußlinie holen.

F: Wie können die Palästinenser und die ISM unterstützt werden?

Neta: Ich weiß, es ist verwirrend, wenn jede einzelne Geschichte in zwei völlig unterschiedlichen Versionen erscheint. Deshalb lade ich alle ein, bitte ich, flehe ich, hierher zu kommen und sich selbst die Realität der besetzten palästinensischen Gebiete anzuschauen.